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Strukturiertes Interview – Das Bewerbungsgespräch mit Methodik

Strukturiertes Interview – Das Bewerbungsgespräch mit Methodik

Strukturiertes Interview – Das Bewerbungsgespräch mit Methodik

Ein strukturiertes Interview unterscheidet sich durch den Interviewleitfaden wesentlich von einem unstrukturierten Interview. Dieses freie, ohne konsequente Vorbereitung durchgeführte Gespräch für die Beurteilung der Kandidaten basiert nämlich auf dem persönlichen Eindruck, den Emotionen und der Intuition des Interviewers. Obwohl ein gutes Bauchgefühl unterstützend sein kann, es erschwert aber eine zuverlässige und gleichberechtigte Bewertung aller Kandidaten. Dabei soll Struktur kein Selbstzweck sein. Sie soll ein möglichst aussagekräftiges und faires Vorstellungsgespräch garantieren.

Ein strukturiertes Interview bietet viele Vorteile. Aspekte wie die hohe Akzeptanz, die Chancengleichheit und Vergleichbarkeit von Kandidaten, aber auch der faire Selektionsprozess und die bessere Steuerung des Interviewverlaufs sind da zu nennen. Zudem wird der Fokus des Interviews auf berufsrelevante Aspekte gelenkt. Das strukturierte Interview lässt auch eher eine selbstkritische Reflexion in Bezug auf den Sympathie-Effekt zu. Durch die Vorformulierung der Fragen und den fixen Ablauf geht auch nichts vergessen.

Für welche Karrierelevels eignet sich ein strukturiertes Interview?

Ungeachtet des jeweiligen Karrierelevels ist ein strukturiertes Interview grundsätzlich für jeden Bewerber geeignet. Also kann es für Auszubildende über Hochschulabsolventen bis hin zum Topmanager angewendet werden. Unterschiede lassen sich eher im Typ des strukturierten Interviews ausmachen, worauf später detailliert eingegangen wird. Ganz grundsätzlich werden Berufseinsteiger oft durch das Situative Interview mit fiktiven Ereignissen konfrontiert. Diese können dann im späteren Berufsalltag auf sie zukommen.

Das etwas umfangreichere Multimodale Interview wird dagegen eher für Bewerber auf Spitzenpositionen angewendet. Das Biographische Interview eignet sich auch für Bewerber, die seit vielen Jahren weit oben in der Hierarchie stehen.Dabei geht man auf die bisherigen beruflichen Stationen und die an den Tag gelegten Verhaltensweisen im Zusammenhang mit den Anforderungen der zu besetzenden Stelle ein.

Der Ablauf und die Zusammensetzung des strukturierten Interviews

Wie bei einem freien Interview gibt es auch beim strukturierten Interview eine erste Phase des Kennenlernens. In dieser stellen sich beide Seiten vor. Vor allem bei einem Interview für Führungskräfte ist die Anwesenheit mehrere Interviewer beim Einstellungsgespräch nicht ungewöhnlich. Um eventuelle Nervosität aufseiten des Bewerbers abzubauen, wird zu Beginn etwas Smalltalk geführt.

Typische Fragen im Bewerbungsgespräch können beispielsweise sein:

  • War Ihre Anreise gut?
  • Kennen Sie die Stadt schon?
  • Gefällt Ihnen unser neues Bürogebäude?

Die Phase der Selbstpräsentation des Bewerbers folgt dann auf den anfänglichen Smalltalk. Als klassischer Einstieg hierfür gilt etwa die Frage: Warum haben Sie sich auf diese Stelle beworben?

Nach Beendigung dieses Teils des Vorstellungsgesprächs beginnt der Interviewer mit der diagnostischen Phase. Der Hauptteil des Einstellungsgesprächs wird durch die Phasen Selbstpräsentation und Diagnostik gebildet. Die Fragen zu den jeweils für die Stelle relevanten Kompetenzbereiche kommt bei der diagnostischen Phase ins Spiel.

Je nach Einsatzbereich und Karrierelevel variieren die abgefragten Kompetenzbereiche. Fragen zu typischen Kompetenzbereichen sind:

  • Allgemeine fachliche Kompetenz
  • Führungsstil / -verhalten bzw. Arbeitsverhalten
  • Kommunikative und soziale Kompetenz
  • Motivation und Leistungsbereitschaft

Oftmals thematisierte Inhalte dieser Phase, obwohl keine Kompetenzbereiche, sind:

  • Wertvorstellungen bzw. Persönliches
  • Work-Life-Balance

Nach Beendigung dieses Teils bietet sich dem Bewerber in dieser abschließenden Phase die Möglichkeit selbst ein paar Fragen zu stellen, beispielsweise über das weitere Vorgehen. Danach folgt die Verabschiedung und das Vorstellungsgespräch ist beendet.

In der Regel bewegt sich die Gesamtdauer eines strukturierten Interviews zwischen 45 und 60 Minuten. Bei einem höheren Karrierelevel kann es sich aber gut und gerne in einem Rahmen von bis zu zwei Stunden bewegen. Ausreichend Zeit muss also eingeplant werden.

Strukturiertes Interview – Vorteile und Nachteile

Vorteile

Im Vergleich zum freien Interview bietet das strukturierte Interview dem Personaler eine deutlich höhere Validität. Alle relevanten Fragen für die zu besetzende Stelle arbeitet man nach einem Interviewleitfaden der Reihe nach ab. Die Protokollierung schließt eine eventuell falsche Zuordnung aus. Beurteilung nach Bauchgefühl oder Sympathiefaktor sind somit ausgeschlossen.

Nachteile

Meistens werden nur vorbereitete Fragen systematisch abgearbeitet. Dadurch verläuft das strukturierte Interview nicht wie ein normal übliches Gespräch. Somit wirkt das Gespräch weniger charmant. Auf die Individualität des Bewerbers wird nicht eingegangen. Einige interessante und spannende Informationen können so verloren gehen.

Die speziellen Typen eines strukturierten Interviews

Ein strukturiertes Interview kann man auf verschiedene Arten führen. Je nach Art der zu besetzenden Stelle und des Karrierelevels eines Bewerbers eignet sich eine Form besser als die andere. Die unterschiedlichen Typen eines strukturierten Interviews werden folgend vorgestellt.

Das Behaviour Description Interview (BDI)

Die für die Personalauswahl relevanten Kriterien erfasst man beim Behaviour Description Interview (BDI) im Vorfeld. Die Fragen im Bewerbungsgespräch zielen dann auf reale, tatsächlich eingetretene Situationen im bisherigen Werdegang des Bewerbers ab. Das Verhalten des Bewerbers in den jeweiligen Situationen wird dabei gründlich hinterfragt.

Dadurch versucht man auszuschließen, dass ein Bewerber nur allgemein positiv behaftete Antworten gibt, die zu seinem wirklichen Handeln gar keinen Bezug haben. Auch das Wiedergeben von lediglich auswendig gelerntem Wissen wird so erschwert.

Die Fragen können bei verschiedenen Bewerbern etwas unterschiedlich sein, da nicht jeder Werdegang gleich verläuft. In der Intention bleiben sie jedoch gleich.

Das Biographische Interview (BI)

Ähnlich wie das Behaviour Description Interview (BDI), orientiert sich das Biographische Interview (BI) ebenfalls an der beruflichen Vergangenheit des Bewerbers. Beim BI geschieht dies aber umfassender und tiefer gehender als beim BDI.

Die kritischen Situationen für die Anforderungen an die jeweilige Stelle werden dabei nicht abgefragt. Sie werden vom Personaler vorgängig oder im Verlauf des Gesprächs aufgespürt.

Beispielsweise markiert der interviewende Personaler vor dem Gespräch die jeweils relevanten Stationen im Lebenslauf eines Bewerbers. Die Fragen im Vorstellungsgespräch gehen dann detailliert auf diese Situationen ein.

Ein guter Personaler kann auf der anderen Seite aber auch während der Selbstpräsentation des Stellensuchenden und den Ausführungen über seinen bisherigen Werdegang erkennen, wo seine Fragen ansetzen sollten, bzw. wo er noch nachhaken kann. Um spezielle Anknüpfungspunkte im Verlauf eines Gesprächs ableiten zu können, ist jahrelange Erfahrung, eine schnelle Auffassungsgabe und vor allem Fingerspitzengefühl erforderlich.

Das Situative Interview (SI)

In einem Situativen Interview (SI) wird der Bewerber einer konkreten, jedoch fiktiven Situation konfrontiert. In aller Regel wird das eine Konfliktsituation oder ein Problemfall sein, der einer eigenständigen und eleganten Lösung bedarf. Daraufhin soll der Bewerber aufzeigen, wie er die spezielle Konfliktsituation lösen würde.

Der Interviewleitfaden im SI ist somit im Gegensatz zum BDI und BI eher zukunftsorientiert. Im Normalfall werden die Fragen im Vorstellungsgespräch bei einem Situativen Interview jedem Bewerber exakt gleich gestellt.

Strukturierte Interviews dieses Typs sollen Verhaltensintentionen und auch kognitive Verhaltensmöglichkeiten abfragen. Von zentraler Bedeutung ist dabei, dass die Bewerber nicht wissen, ob aus Sicht des Interviewers z.B. kooperatives oder eher kompetitives Verhalten in der angenommenen Situation angebracht wäre. Nach Möglichkeit sollte der Bewerber also vollkommen neutral mit der Situation konfrontiert werden. Das gibt ihm die Gelegenheit frei und unbeeinflusst zu antworten.

Das Multimodale Interview (MMI)

Diese Art ein Interview zu führen vereint mehrere Ansätze. Das MMI ist ein Leitfadeninterview mit acht Phasen. Davon fließen allerdings lediglich fünf in die spätere Beurteilung ein. Die verbleibenden drei Phasen fördern den natürlichen Gesprächsablauf und dienen der Information des Bewerbers.

Die acht Phasen des Multimodalen Interviews sind:

  1. Gesprächsbeginn mit Smalltalk, Kennenlernen, Nervosität abbauen = keine Bewertung
  2. Selbstpräsentation des Bewerbers mit persönlichem und beruflichem Hintergrund, aktueller Situation, Erwartungen für die Zukunft = fließt in Bewertung ein
  3. Berufsorientierung, dabei werden im Vorfeld festgelegte Fragen zu Berufswahl und beruflichen Interessen, zur Bewerbung und Fragen zur Fachkompetenz gestellt = fließt in Bewertung ein
  4. Freier Gesprächsteil, dabei kann man anknüpfend an die beiden vorhergegangenen Phasen offene Fragen stellen = fließt in Bewertung ein
  5. Abfrage Biografie-bezogener Daten, die sich auf die zu besetzende Stelle beziehen. Sie sind abgeleitet aus validierten, biografischen Fragebögen oder der Anforderungsanalyse = fließt in Bewertung ein
  6. Realistische Tätigkeitsinformationen, d.h. der Bewerber erhält allgemeine Informationen über die Tätigkeit, den Arbeitsplatz und das Unternehmen = keine Bewertung
  7. Situative Fragen, entnimmt man dem Abschnitt „Das Situative Interview (SI)“ = fließt in Beurteilung ein
  8. Gesprächsabschluss, der Bewerber kann eigene Fragen stellen und das weitere Vorgehen wird besprochen. Eventuell trifft man bereits gewissen Voreinbarungen. Diese können dann zu „keiner Bewertung“ führen.

Warum ein strukturiertes Interview?

Erwiesenermaßen tragen strukturierte Interviews maßgeblich zur Senkung von Fehlurteilen bei. Immer dann, wenn für die Personenauswahl nicht relevante Informationen einbezogen werden, entstehen diese Fehlurteile.

Bei einem Leitfadeninterview werden des Weiteren sogenannte Selbstdarstellungstaktiken wie lächeln, schmeicheln oder das „Ja-und-Amen“-Sagen von Bewerbern bei der Bewertung nicht berücksichtigt. Strukturierte Interviews mindern diese Effekte der Selbstdarstellung. Man beurteiltnach vorgegebenen Kriterien. Also lässt man sich nicht von ihrem Lächeln oder Schmeicheln in die Irre führen.

Strukturierte Interviews beinhalten situativen Fragen. Den Bewerber fragt man, wie er sich in einer hypothetischen Situation verhalten würde oder was er in der Vergangenheit in einer bestimmten Situation getan hat. Oft sind die Fragen zu diesen Situationen ziemlich verzwickt und lassen daher einen großen Spielraum zu. Durch diese Art ein Interview zu führen möchte man einen Eindruck erhalten, wie ein Bewerber sich in der Vergangenheit in realen Situationen verhalten hat.

Gleichzeitig wird aber auch auswendig gelerntes Wissen oder sozial erwünschtes Verhalten vermieden. Dadurch lässt sich ein sehr genaues Bild über die sozialen und fachlichen Fähigkeiten eines Bewerbers erschließen.

Fazit

Ein strukturiertes Vorgehen durch einen Interviewleitfaden im Interviewprozess bietet Gewähr für eine stellenbezogene Prüfung der Qualifikationen aller Bewerber und wirkt daher Verzerrungen entgegen.

Durch einen vorher definierten Leitfaden erreicht die standardisierte Bewertung ein objektives Ergebnis zur Personalauswahl unabhängig davon, wer der Interviewer ist. Diese Art ein Interview zu führen ermöglicht zudem ein standardisiertes Einbringen situativer Fragen, was das Interview aussagekräftiger und fairer macht.

Bei einer hohen Anzahl von Bewerbern und verschiedenen Interviewern ermöglichen strukturierte Interviews eine bessere Vergleichbarkeit. Wichtig für ein Unternehmen ist, den Interviewleitfaden für die Personalauswahl der jeweiligen Stelle so passend wie möglich zu definieren.


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