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Das Stressinterview – Wie sie Ihre Bewerber ins Schwitzen bringen (oder auch nicht)

Das Stressinterview – Wie sie Ihre Bewerber ins Schwitzen bringen (oder auch nicht)

Das Stressinterview – Wie sie Ihre Bewerber ins Schwitzen bringen (oder auch nicht)

Wer mit seinem Unternehmen Erfolg haben möchte, benötigt neben genügend Know-how, Ehrgeiz, dem richtigen Gespür und vielem mehr eines insbesondere: Die passenden Mitarbeiter. Denn keine Geschäftsidee, keine Organisationsstruktur und keine Aufgabenkritik führen zum angestrebten Ziel, wenn ich es als Arbeitgeber oder Personaler nicht verstehe, für die anfallenden Tätigkeiten die richtigen Leute zu finden.

Je anspruchsvoller die Aufgabe, desto anspruchsvoller muss auch das Personalauswahlverfahren gestaltet sein. Auch, weil die Selbstpräsentation der Bewerber bewusst oder unbewusst schnell ein falsches Bild vorspiegeln kann. Oftmals genügt der gängige Einstellungstest mit Check der Bewerbungsunterlagen und einem mehr oberflächigen und plauderhaftem Ton nicht, um hinter die Person zu schauen, der ich in Zukunft die Umsetzung eines wesentlichen Teils meiner Vorstellungen anvertraue.

Ein durchdachtes und organisiertes Assessment-Center mit Stressinterview inkl. Persönlichkeitstest oder gar Psychotest bietet sich zumindest bei der Auswahl tragender Mitarbeiter an. Dieser Artikel soll Arbeitgebern wie Personalern dienen, dieses Mittel besser kennen und anwenden zu lernen.

Was ist unter einem Stressinterview zu verstehen?

Eine solche Form der Gesprächsführung unterscheidet sich von einem gewöhnlichen Bewerbungsgespräch grundlegend durch die vom Personaler ausgehende provokative und für den Bewerber auch überraschende Gesprächsform. Während in üblichen Vorstellungsgesprächen, wenn auch nicht gerade auf der Ebene der Gleichordnung verlaufend, der Arbeitgeber eher versucht ist, eine relativ entspannte Gesprächsatmosphäre zu schaffen und keine besonderen Interviewtechniken zum Einsatz kommen, sucht das Stressinterview das genaue Gegenteil. Hier provoziert der Arbeitgeber bewusst, wird persönlich, unangenehm und lässt keinen roten Gesprächsfaden aufkommen.

Welchen Sinn und Zweck hat ein Stressinterview?

Ganz vereinfacht ausgedrückt, dient diese Methode dem Arbeitgeber aufzuzeigen, wie ein Bewerber in einer für ihn stark belastenden, unangenehmen und überraschenden Situation reagiert.

In jedem Unternehmen fallen stets auch Aufgaben mit bestenfalls durchschnittlicher Bedeutung für den Betrieb an, an deren Erfüllung vom Arbeitgeber nicht die allerhöchsten Erwartungen gesetzt werden müssen. Die Anforderungen an die Bewerber sind entsprechend weniger hoch zu stellen, sodass zur Auswahl des passenden Mitarbeiters ein einfacher Einstellungstest genügt.

Je bedeutender jedoch die Aufgabe ist und je anspruchsvoller das Anforderungsprofil, umso eher bietet es sich an, das Auswahlverfahren über den typischen Eignungstest hinaus auch zu einem Persönlichkeitstest bis hin zu einem Psychotest auszubauen.

Dies ist sicher dann der Fall, wenn der Mitarbeiter bei seiner künftigen Tätigkeit einem besonders hohen Druck ausgesetzt ist. Muss er selbstständig wesentliche Entscheidungen treffen oder diese zumindest weitgehend vorbereiten, sollte der Einsatz des Mittels Stressinterview in der Bewerberauswahl überlegt werden. Denkbare Arbeitsgebiete hierzu gibt es sicher viele.

Beispielhaft ist ein Projektleiter ganz sicherlich einer hohen und ständigen Belastung ausgesetzt, wenn er mehrere komplexe Maßnahmen gleichzeitig vorantrieben muss. Ebenso ein Büroleiter oder eine Büroleiterin, die unter enormem Zeitdruck das Tagesgeschäft des Chefs vorzubereiten hat.

Bei der Frage, ob ich mich als Arbeitgeber oder Personaler zu einer solchen Gesprächsführung entschließe, gilt es aber auch zu bedenken, ob der Interviewer hierzu auch selbst in der Lage ist. Denn es ist nicht jedermanns Sache, sein Gegenüber im Gespräch konsequent in die Enge zu treiben, zu überfordern und mit für ihn sichtlich unangenehmen Fragen zu belasten. Daher sollte man sich in jedem Falle bewusst machen, dass es nicht Ziel ist, dem Bewerber zu schaden. Es gilt nicht, quasi einen Sadisten zu spielen.

Ziel des Stressinterviews

Das Ziel ist lediglich, einen Mitarbeiter zu finden, der der künftigen Aufgabe auch tatsächlich gewachsen ist und auch in seinem eigenen Interesse mit seiner künftigen Aufgabenwahrnehmung nicht überfordert sein wird. Gesucht wird eine Person, die entweder aus sich heraus in hohem Maße stressresistent ist oder die ein persönliches Stressmanagement betreibt, welches es ihr ermöglicht, mit einer sehr hohen Belastung gut umgehen zu können.

Ein Mitarbeiter kann fachlich höchst qualifiziert zur Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe sein. Dies wird ihm und dem Betrieb jedoch wenig nützen, wenn er nicht in der Lage ist, seine Fähigkeiten in besonders stressigen Situationen auch anwenden zu können. Denn hierzu erfordert es neben Wissen auch der nötigen sozialen Kompetenz zur Anwendung der eigenen Fähigkeiten im stressigen Berufsalltag.

Empfehlung zu Interviewtechniken

Wie allgemein bekannt, ist das rechte Maß aller Dinge entscheidend. Dem muss sich der Personaler bewusst sein. Das Stressinterview muss provozieren und den Bewerber durchaus aus der Fassung bringen. Es darf aber nicht verletzend werden. Zum einen gehört dies sicher nicht zum guten Ton. Zudem kann dadurch ein vielleicht tatsächlich gut geeigneter Kandidat schnell verloren gehen, weil er einen derart auftretenden Arbeitgeber nicht bereit ist, zu akzeptieren.

Wie sollte nun ein Stressinterview verlaufen?

Das Bewerbungsgespräch muss in jedem Falle zunächst in einer angenehmen Atmosphäre starten. Ein Kaffee oder ein Mineralwasser, vielleicht auch etwas zu Knabbern und in jedem Falle zunächst ein wenig Smalltalk über die mögliche künftige Zusammenarbeit verschaffen dem Bewerber eine gewisse Gelassenheit.

Ohne Ankündigung sollten sich nun plötzlich Fragen anschließen, auf die der Bewerber nicht gefasst sein dürfte. Dies sollten durchaus auch Fragen sein, die mit dem eigentlichen Thema wenig bis nichts zu tun haben. Wichtig ist lediglich, dass sie kompromittieren, verwirren und vor allem ins Persönliche gehen.

Zum Beispiel, ob sich der Bewerber für ein solches Gespräch denn tatsächlich passend gekleidet fühlt. Oder, wie der Bewerber eigentlich auf die Idee kommen kann, sich für die ausgeschriebene Aufgabe geeignet zu fühlen. Unangenehm ist es für den Bewerber auch, wenn Fragen keinem System folgen oder sogar sinnlos erscheinen. Plötzliche, aus dem Kontext fallende Fragen wie „Welches ist die Wurzel aus 9?“ oder „Wie heißt der Bundeskanzler von Österreich?“ usw. schaffen bewusste Verunsicherung. Durchaus kann dieselbe Frage, mit gleichem Gesichtsausdruck und Tonfall, auch dreimal hintereinander gestellt werden.

Nun muss der Personaler unbedingt die Reaktionen seines Gegenübers erfassen und sie abwägen. Verliert der Bewerber schnell die Nerven? Antwortet er überhaupt? Wird er kleinlaut oder dagegen aufbrausend?

Ungünstig reagiert der Bewerber, wenn er versucht, sich zu rechtfertigen. Voraussichtlich wird er sich dann auch künftig versuchen herauszureden, wenn es im Job mal brenzlig wird. Schlecht wäre es auch, wenn er überhaupt nicht antwortet. Denn unangenehme Situationen, die seine vielleicht künftige Aufgabe mit sich bringt, wird er nicht aussitzen können. Vor allem nicht, wenn er eine verantwortliche Position zu begleiten hat. Reagiert der Jobsuchende mit einer Gegenprovokation, mag dies vielleicht stark wirken. Es kann aber auch ein Hinweis sein, dass er zu Überreaktionen neigt.

Ein gutes Signal für den Arbeitgeber wäre es dagegen, wenn der so unangenehm Angesprochene sich kurz Zeit lässt, um seine Reaktion zu überdenken. Vielleicht erst durch schnauft und sich zunächst sammelt und dann antwortet.

Eine lösungsorientierte, ruhige Reaktion wäre wünschenswert. Gibt er, zum Beispiel angesprochen auf seine Kleidung, zur Antwort, dass er sich absolut angemessen angezogen fühlt, sich aber durchaus vorstellen kann, künftig von seinem Stil abweichenden Vorgaben des Unternehmens entgegen zukommen, wäre dies eine wünschenswerte Reaktion.

Was können in einem solchen Vorstellungsgespräch Fragen sein, die zum Ziel führen?

Der geschickte Personaler stellt in einem Vorstellungsgespräch Fragen, durch die der Bewerber nicht nur als potenzieller Arbeitnehmer gecheckt wird. Vielmehr soll er durch den Fragenkomplex als Mensch, persönlich und mit all seinen Facetten und vor allem mit seinen Schwächen auf dem Prüfplan stehen. Denn nur dann können die erhofften Rückschlüsse gezogen werden, wie es um das Stressmanagement des vielleicht neuen Mitarbeiters steht. Das Bewerbungsgespräch wird dadurch mehr als nur zu einem Eignungstest, sondern eher zum Persönlichkeitstest. Vielleicht sogar mit einem Hauch von Psychotest.

Die folgenden Beispiele sollen verdeutlichen, welche Fragen den gewünschten Effekt zu erzielen helfen

Für einen bereits im Unternehmen beschäftigten Mitarbeiter, der sich um eine höhere Position bewirbt:

  • Eine vergleichbare Stelle hatten wir in den letzten beiden Jahren bereits mehrfach ausgeschrieben. Warum bewerben Sie sich erst jetzt? Hatten Sie bislang keinen Mumm?
  • Wir haben uns unlängst in der Geschäftsleitung auch über Ihre Bewerbung unterhalten. Dabei wurden auch Bedenken aufgeworfen. Sie können sich sicher vorstellen, worin diese gründeten?
  • Bei Ihrer bisherigen Tätigkeit waren wir, wie Sie sicher selber wissen, nicht immer mit Ihrer Leistung zufrieden. Nun bewerben Sie sich für eine noch anspruchsvollere Aufgabe. Wie passt dies zusammen?

Für einen noch nicht im Unternehmen beschäftigten Bewerber

  • Anhand Ihrer Bewerbungsunterlagen hätte ich mir eine etwas taffere Person vorgestellt. Wie kommt das?
  • Nach meinem bisherigen Eindrücken von Ihnen hege ich Zweifel, ob Sie unseren Ansprüchen tatsächlich genügen. Nutzen Sie jetzt die Chance, diese auszuräumen.
  • Ihr derzeitiger Arbeitgeber ist bekanntlich in ernsthaften Schwierigkeiten. Sollte er nicht gerade von Ihnen als angeblichem Leistungsträger jetzt besondere Unterstützung erwarten dürfen?
  • Sie tragen eine blaue Bluse. Wie Sie sicher Wissen, ist Blau ein typisches Merkmal unseres schärfsten Konkurrenzbetriebs. Sind Sie sich der Wirkung dessen auf mich nicht bewusst?

Fazit

Ist der Bewerber ausreichend stressresistent? Ist seine Selbstpräsentation mehr Fassade? Diese Fragen stellt sich jeder Arbeitgeber bei der Auswahl geeigneter Mitarbeiter. Belastende Interviewtechniken, integriert in Assessment-Center Übungen, können diese Fragen beantworten. Daher sollte die zuvor dargestellte Form der Gesprächsform unbedingt dann in Erwägung gezogen werden, wenn ich als Arbeitgeber an meinen späteren Mitarbeiter weit überdurchschnittliche Anforderungen stelle.

Übrigens: Entscheidet man sich schließlich für einen Bewerber, so schadet es nicht, ihm zu einem gegebenen späteren Zeitpunkt klar zu machen, was Sinn und Zweck des für ihn so belastenden Bewerbungsgesprächs war. Dies dient beiden Seiten sicherlich für einen guten Einstieg.


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