Ein Burnout ist schon lange nichts Außergewöhnliches mehr. Er kann jeden treffen, vor allem auch seine digitale Variante. Diese ist zwar noch nicht als Krankheit anerkannt. Dennoch gibt es mahnende Stimmen, die meinen, ständige Erreichbarkeit bringe ihn automatisch mit sich. Stimmt das? Kann unsere Nutzung des Smartphones wirklich krank machen? Ist das kleine Gerät tatsächlich an der Überforderung schuld, die wir so oft verspüren? Liegt es nicht vielmehr an uns? Besser – am Chef, der uns im Nacken sitzt und dadurch Stress verbreitet?
Schließlich ist das Smartphone doch so hilfreich! Kaum noch können wir uns an die Zeit erinnern, bevor es diesen praktischen Helfer gab. Ein Leben ohne Smartphone können wir uns gar nicht mehr vorstellen. Klassisches Anzeichen einer Sucht!
Inhalt
Von der gesetzlichen Ruhezeit und anderen Merkwürdigkeiten
Zwischen zwei Diensten gibt es eine gesetzliche Ruhezeit. Wer sie nicht einhält, kann richtig Ärger bekommen, sei es Arbeitnehmer oder Arbeitgeber. Der Grund: In der Ruhezeit regenerierst Du Dich. Das dient vor allem Deiner Gesundheit – gleichzeitig Deiner Arbeitskraft. Die ist wertvoll, nicht nur für Dich. Schließlich kann Dein Arbeitgeber nur dann etwas mit Dir anfangen, wenn Du volle Leistung bringst.
Was aber heißt volle Leistung in Zeiten des Smartphones? Besonders in Bürojobs hat es sich eingebürgert, dass Du ständig erreichbar sein sollst. Eine Mail in der Mittagspause, eine SMS kurz nach Feierabend. Und dann, gegen Mitternacht, eine Nachricht per WhatsApp von dem neuen Kollegen, der dringend eine Auskunft braucht. Natürlich musst Du die nicht sofort geben. Morgen früh, noch im Bett, reicht auch.
Der Witz dabei: Das alles findest Du völlig normal. Schließlich bist Du sowieso ständig mit dem Smartphone zugange. Was also spricht dagegen, Berufliches noch rasch zu erledigen? Dauert nicht lange, und Du kannst vor Deinem Chef Engagement zeigen.
Ständige Erreichbarkeit – wo ist das Problem?
Unsere Gesellschaft wandelt sich gerade rasant. Natürlich war das schon immer so, doch diesmal ist es ernst. Professor Markowetz, Informatiker aus Bonn, bescheinigt uns gar die Fähigkeit zum „digitalen Burnout“. Nachgewiesen ist das nicht, und schon gar keine anerkannte Krankheit. Doch Markowetz war Studienleiter bei einer Studie an seiner Uni. Mithilfe der Daten von 60.000 Smartphone-Nutzern fand er etwas heraus.
Wir neigen dazu, das Smartphone andauernd zu nutzen. Einerseits wollen wir damit spielen, andererseits ständig erreichbar sein, um ja nichts zu verpassen. Zudem ist das kleine Gerät ja auch praktisch: Es vereint Telefon mit Kamera, Mini-PC, Spielzeug und noch vielem mehr. Wie oft wir damit telefonieren, fand Markowetz übrigens auch heraus: ganze sieben Minuten pro Tag (Durchschnitt).
Das an sich ist noch nicht bedrohlich. Doch seit es das Smartphone gibt, nutzen wir auch Pausen nicht mehr richtig. Aus Angst vor Langeweile sind wir ständig damit beschäftigt, das Smartphone auf Neuigkeiten zu checken. Schon lange geht es nicht mehr nur um die Uhrzeit – eine Armbanduhr oder ein Buch hatte nie diesen Effekt. Wir wollen wissen, was los ist in der Welt. Betrifft das dann noch uns, in den sozialen Netzwerken zum Beispiel, dann geht in unserem Gehirn ein Feuerwerk los.
Trotz Überforderung können wir das Smartphone schlecht abschalten
Dopamin ist ein Neurotransmitter. Dieser körpereigene Botenstoff wird unter anderem dann vom Gehirn freigesetzt, wenn Belohnungen anstehen. Richtig – nicht nur, wenn es die Belohnung gibt. Auch dann, wenn wir sie nur erwarten. Deshalb haben diese kleinen Sternchen oder „Gefällt mir“ Button so magische Wirkung: Wir nehmen sie als Belohnung wahr. Dementsprechend reagiert unser Gehirn. Manche reden schon von Smartphone-Sucht. Ob schon im Burnout oder nicht – manche Menschen können die ständige Erreichbarkeit nicht mehr stoppen.
Ständige Erreichbarkeit – sind wir alle süchtig?
Eine Sucht braucht es gar nicht. Wenn die Möglichkeit besteht, checken wir einfach unsere Nachrichten. Dazu zählt alles, was irgendeine Reaktion auf das darstellt, was wir taten. Der Like-Button ist also nur ein kleiner Teil des Problems. Alle 18 Minuten werfen wir im Schnitt einen Blick auf unser Smartphone, in der Erwartung, dass sich da irgendetwas tut.
Ständig unter Spannung – wir marschieren direkt in den Burnout
Das führt dazu, dass wir ständig unter Spannung stehen. Bis zu einem gewissen Maße kann Stress ja förderlich sein. Dieser Stress allerdings ist zu viel. Immer mehr Menschen fühlen sich ausgelaugt. Ständig getrieben, auf ihr Smartphone zu blicken, können sie nicht mehr richtig entspannen. Wenn dann noch die gesetzlichen Ruhezeiten nicht mehr eingehalten werden, wird es gefährlich. Gesundheitliche Folgen ähneln einem Burnout.
Deshalb hat Markowetz das so genannt: Digitaler Burnout. Er selbst gibt zu, dass die Quellenlage zum digitalen Burnout noch dünn ist, weil es das Smartphone erst seit vergleichsweise kurzer Zeit gibt. Doch er ist davon überzeugt, dass der digitale Burnout der ständigen Erreichbarkeit auf dem Fuß folgt.
Burnout – das sind die Symptome steter Überforderung
- ständige Müdigkeit bis hin zur Erschöpfung
- scheinbar anlasslose Niedergeschlagenheit / Depression oder depressive Episode
- körperliche Symptome verschiedener Art, zum Beispiel häufige Migräne, Haut- oder Magen-Darm-Probleme
- scheinbar grundlose Aggressivität
- gesellschaftlicher Rückzug, soziale Isolation in der realen Welt
Dies sind die wichtigsten Symptome. Beobachtest Du sie an Dir oder jemand anderem dauerhaft, ist die Chance auf einen Burnout groß.
Auswirkungen von Burnout
Wirtschaftlich entsteht durch die Auswirkungen von Burnout ein gewaltiger Schaden. Steigende Patientenzahlen zeigen, dass es sich dabei längst um keine exotische Krankheit mehr handelt: Die Auswirkungen von Burnout lassen sich quer durch die Gesellschaft beobachten. Dabei gibt es ein Problem. Wer ständig demotiviert und niedergeschlagen ist, macht seinen Job nicht mehr gut. Somit sind die Auswirkungen von Burnout nicht zu unterschätzen. Nicht nur, weil wieder ein Kollege ausfällt! Auch der Betrieb nimmt dabei ganz realen Schaden. Die Unternehmen täten deshalb gut daran, Belastungen durch die Arbeit zu reduzieren. Leider ist das Gegenteil der Fall.
Remote Work als treibender Faktor beim Burnout
Wer ohnehin schon unter dem Problem leidet, nicht mehr abschalten zu können, wird oft durch moderne Arbeitsmodelle weiter in den Burnout getrieben. Viele Firmen haben erkannt, dass ein normaler Nine-to-Five-Job ihnen weniger produktive Arbeitnehmer beschert. Die Folgen: Immer häufiger können Arbeitnehmer ihre Arbeit ganz oder teilweise zu Hause erledigen.
Heimarbeit bedeutet aber auch, dass ein Arbeitnehmer mit der Firma vorwiegend per Smartphone kommuniziert. Ob Mails oder telefonisch, spielt dabei keine Rolle. Denn ab sofort ist das Smartphone nicht mehr nur Vergnügen, sondern Teil der Arbeit. Spätestens jetzt wird der Arbeitnehmer sich sehr gut überlegen, ob er sein Smartphone zwischendrin auch mal abschalten möchte.
Damit haben Unternehmen zwar den perfekten, weil permanent verfügbaren Arbeitnehmer. Die Folgen: Der moderne Arbeitnehmer steht noch mehr unter Spannung. Die Gefahr, krank zu werden steigt. Mittlerweile erwartet man von ihm nicht mehr nur bei der Arbeit ständige Erreichbarkeit. Denn die Arbeit plant er ja selbst – woher also soll sein Chef wissen, ob er gerade Pause macht?
Burnout: Ständiger Stress macht krank!
Burnout ist eine ernsthafte Erkrankung. Sie nimmt auch deshalb immer mehr zu, weil die Überforderung immer mehr steigt. Das betrifft vor allem die Arbeitswelt. Früher nannte man Burnout auch die Managerkrankheit. Warum? Weil vor allem hart arbeitende Menschen sie bekommen, wofür der Manager das Sinnbild ist.
Wer nicht lernt, zu entspannen, lebt gefährlich! Er läuft nämlich Gefahr, am Burnout zu erkranken. Dann hilft nur noch eine längere Auszeit oder der Jobwechsel. Auch deshalb ist „Managerkrankheit“ nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Mittlerweile ist niemand mehr davor sicher, weil die Arbeitsverdichtung ständig zunimmt. Ob Krankenschwestern oder Sachbearbeiter – immer weniger Menschen sollen immer mehr Arbeit erledigen. Und je mehr Stress, desto größer die Anfälligkeit.
Folgen ständiger Erreichbarkeit – Stress!
Unsere Ruhezeiten fallen bei ständiger Erreichbarkeit weg. Anstatt uns zu erholen, nutzen wir Pausen und den Feierabend, um zu zocken. Wahlweise kontrollieren wir noch schnell Mails oder durchforsten Netzwerke wie Instagram nach interessanten Neuigkeiten. Wir können gar nicht mehr leben ohne das Dauerfeuer an Informationen, das auf uns einprasselt. Schalten wir nämlich konsequent ab, verpassen wir alles. Meinen wir zumindest. So führt unsere ständige Erreichbarkeit zu mehr Stress. Irgendwann leiden wir unter massiver Überforderung. Bleibt die über lange Zeit bestehen, werden wir krank.
Sei dagegen! Tipps für eine neue Etikette in puncto Smartphone
Ebenfalls von Markowetz stammt die Empfehlung, gegenzusteuern. Doch er will nicht die Zeit zurückdrehen, schon gar nicht zurück in die Steinzeit. Schließlich ist es immer noch überaus nützlich! Ob Pizza bestellen, Restauranttisch buchen oder Ticketkauf – Vieles ist mit Smartphone-Apps einfach bequemer.
Vielmehr sollten wir zu einem neuen Umgang mit dem Smartphone finden. Dazu braucht es allerdings eine neue Etikette. Die solltest nicht Du allein einführen, denn dann hat sie keinen Sinn. Wir als Gesellschaft sind gefragt. Dazu zählt nicht nur Dein Chef. Vorstellbar ist zum Beispiel ein Restaurant, in dem bei Tisch der Umgang mit dem Smartphone als nicht gesellschaftsfähig gilt.
Deinen Chef kannst Du in einem persönlichen Gespräch darauf hinweisen, dass auch Du irgendwann Feierabend machst – und danach nicht mehr erreichbar bist. Erklär ihm ruhig die Sache mit den Ruhezeiten. Er wird es bestimmt schon wissen, aber eine Auffrischung des Gedächtnisses kann nie schaden.
Stopp den Burnout – mach eine Smartphone-Diät!
Wer die Smartphone-Diät einmal ausprobiert hat, wird sie zu schätzen wissen. Auch sie verhilft zu einem verantwortungsvollen Umgang mit dem Smartphone. Und damit zu mehr Lebenszeit!
Smartphone-Diät: Kampf gegen Überforderung
- Zeiten überlegen und einhalten, in denen das Smartphone konsequent aus bleibt
- Wichtiges für die Arbeit per Mail klären – nicht über diverse soziale Medien
- Mit dem Chef vereinbaren, welche Ruhezeiten Du unbedingt einhalten wirst
- Abends nicht als Letztes auf den Bildschirm blicken – lies mal wieder ein spannendes Buch!
- App installieren, die den Smartphone-Gebrauch kontrolliert
- Freizeitbeschäftigungen suchen, die ablenken – wolltest Du nicht schon immer mehr Sport treiben?
- Überforderung meiden, wo immer es geht. Entspannungstraining wie etwa Yoga hilft!
Bist Du süchtig? So erfährst Du es!
Ein Modewort ist „digitales Detox„. Detox heißt Entgiftung und stammt eigentlich aus dem Beauty- und Ernährungsbereich. Detoxen muss derjenige, der zu viele Gifte in sich hat und diese los werden will. Diese Form von Entwöhnung lässt sich auf das Smartphone übertragen. Das ist gleichzeitig der einfachste Weg, zu überprüfen, ob Du süchtig bist: Verzichte ein Wochenende auf Dein Smartphone. Fällt Dir das noch leicht, kann von einer Sucht keine Rede sein.
Für den Fall, dass Du nicht sicher sein solltest, gibt es hilfreiche Apps. Sie helfen Dir beim Verstehen Deines Smartphone-Verhaltens.
Apps zur Kontrolle einer Smartphone-Abhängigkeit (Auswahl)
- Moment – kostenlos, für iPhone und iPad
- Offtime – für iOS und Android. Kosten 3,49 Euro
- Quality Time – für Android, kostenlos
- Forest – kostenlos für Android, iOS: 0,89 Euro
(Stand: Dezember 2018)
Hast Du allerdings massive Entzugserscheinungen, solltest Du Dich an eine Beratungsstelle wenden. Das ist kein Scherz, denn natürlich kann auch die Beschäftigung mit dem Smartphone süchtig machen. Auf jeden Fall solltest Du lieber früher als später handeln, bevor die Überforderung Dich fest im Griff hat. Mit einem Burnout ist nicht zu scherzen!
Schon gewusst? Viele soziale Netzwerke kennen das Problem. Sie helfen Dir mit Funktionen, die Dich bei weniger Smartphone-Nutzung unterstützen. Diese Funktionen findest Du in den allgemeinen Einstellungen. Apple und selbst Google haben ebenfalls Einstellungen zur besseren Kontrolle.
Natürlich hilft das alles aber nichts, wenn Du nicht aktiv wirst. Denn Dein Smartphone tut nichts ohne Dich!
Fazit: Handeln, bevor es zu spät ist!
Das Smartphone ist nicht schuld! Der Nutzer ist es, der mit der relativ neuen Technik nicht umgehen kann. Aufmerksamkeit, ja Neugier sind keine schlechten Dinge. Sie sicherten uns jahrtausendelang unser Überleben. Leider hat sich unser Gehirn nicht ganz so schnell entwickelt wie die Technik, die uns zur Verfügung steht. Es veranlasst bei jeder kleinen Nachricht die Aktivierung unseres Belohnungssystems. Solange wir damit nicht umgehen können, bleibt die Gefahr, bei ständiger Erreichbarkeit krank zu werden.
Denn uns fehlt das Entspannen. Wer immer nur hellwach ist, wird irgendwann krank,weil der Körper streikt. Die Anzeichen eines digitalen Burnouts sind dieselben wie beim normalen Burnout: Niedergeschlagenheit, fehlende Motivation, rapider Rückgang der Produktivität.
Nimm deshalb Dein Leben wieder selbst in die Hand. Solltest Du ebenfalls zu oft nach dem Smartphone greifen, installiere Dir eine hilfreiche App, die Dein Nutzerverhalten prüft. Wer es ohne fremde Hilfe nicht mehr schafft, länger auf sein Smartphone zu verzichten, darf sich Hilfe suchen – er sollte das sogar tun. Nur dann kann er seine Gesundheit erhalten.